Politik hat sich noch nie so sehr in unser Leben
eingemischt wie heute. Vorschriften und Moralpredigten für eine gesunde,
umweltbewusste Lebensweise gängeln uns genauso wie unüberschaubare Vorschriften
im Berufs- und Wirtschaftsleben. Andererseits werden Forderungen laut, dass die
Politik ihre Entscheidungen dem Bürger besser vermitteln muss, ihn mehr
einbezieht, insbesondere dann, wenn Entscheidungen von Tragweite getroffen werden.
Immer mehr Menschen fordern, dass Politiker wieder stärker den Kontakt zur
Bevölkerung suchen sollen. Bei zu vielen politischen Entscheidungen werden nach
Ansicht vieler Menschen ihre eigenen Interessen zu wenig berücksichtigt. Man
wirft Politikern oft zu Recht einen zu großen Abstand zur Realität vor. Aber
auch Egoismus, Arroganz, sowie ein ausgeprägter Hang zur Selbstsucht bestimmen
deren Handeln. Aus Angst, einen Teil ihrer eigenen Kompetenz zu verlieren,
wollen sie den Menschen kein Mitspracherecht eingestehen.
Der Verlust der Glaubwürdigkeit liegt jedoch nicht allein bei den Politikern,
sondern auch bei uns selbst. Die Forderungen, die wir an die Politik stellen,
sind kaum erfüllbar. Unsere Erwartungen sind zu unrealistisch.
Wie die Politiker folgen auch wir allzugern unserem narzisstischen Trieb. Wir
wollen ebenfalls unsere Machtbedürfnisse erfüllt bekommen. Zu keinem Zeitpunkt
der Geschichte erschien uns das einfacher als heute, indem wir unsere Meinung
leicht über soziale Netzwerke verbreiten können.
Kritik und Eigeninitiative sind zwei paar Schuhe. Den Schuh der Kritik hat man
sich leicht angezogen, der Schuh des Handelns, scheint dagegen etwas unbequem
zu sein. Denn warum sonst, richtet sich die Hoffnungen der Menschen für eine
Lösung ihrer Probleme trotz allem an die Politiker? Weil staatliches Handeln
immer genau dann auf Verständnis trifft, wenn Eigeninitiative gefordert ist.
Die Regierung soll handeln, wenn es nach dem Bequemlichkeitsbedürfnis der
Bürger geht. Ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung ist nämlich der
Auffassung, dass der Staat all ihre Probleme richten soll. Dass er als Retter
in der Not bei sozialer Misere, Finanz- und Wirtschaftskrisen einspringt, für
gerechte Löhne sorgt und Branchen rettet. Politik soll heute für alles
zuständig sein. Zwar nörgeln viele Wähler, aber sie tolerieren die Eingriffe in
ihr Leben letztlich doch, wenn diese scheinbar dem eigenen Vorteil und der
Bequemlichkeit dienen.
Wir müssen uns auf beiden Seiten mehr mit unserem eigenen Denken und Handeln
auseinandersetzen. Die übertriebene Betonung unserer eigenen Wichtigkeit und
der große Wunsch nach Bewunderung darf nicht der Motor unseres Handelns sein.
Unsere Persönlichkeit muss an Reife gewinnen.
Die Bundespolitik kann viele Entscheidungen nicht ausreichend abdecken, weil
sie zu weit entfernt ist. Oft werden bei politischen Entscheidungen die
örtlichen Standortfaktoren nicht ausreichend berücksichtigt, weil sie regional
auch zu unterschiedlich sind. Politik muss zu einem Beleg für eine intakte, lebendige
Demokratie werden. Dazu muss Selbstverwirklichung in den Hintergrund treten und
Verantwortung für die Zukunft von uns allen übernommen werden.